
Wassily Kandinsky (1866–1944): Pionier der abstrakten Malerei
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Wassily Kandinsky (1866–1944): Pionier der abstrakten Malerei
Wassily Kandinsky gilt als einer der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts und als Pionier der abstrakten Kunst. Sein experimenteller Umgang mit Farben, Formen und Linien prägte die moderne Kunstgeschichte nachhaltig. Doch wer war dieser Mann, und wie kam es dazu, dass er die Kunstwelt revolutionierte?
1. Frühe Jahre und künstlerische Einflüsse
Wassily Kandinsky wurde 1866 in Moskau geboren und wuchs in einem kulturell sehr vielfältigen Umfeld auf. Schon früh zeigte sich seine Faszination für Farben und Klänge.
- Musikalisches Talent: Er spielte Klavier und Cello, was später in seinem Schaffen eine entscheidende Rolle spielen sollte. Musik und Malerei verband er durch kompositorische Ansätze, bei denen Farben wie Instrumente wirken.
- Studium der Rechtswissenschaften: Trotz seiner Leidenschaft für die Kunst studierte Kandinsky zunächst Rechtswissenschaften und Nationalökonomie. Das Wissen über Gesellschaft und Struktur beeinflusste später seine künstlerische Sichtweise.
Erst mit 30 Jahren entschied er sich endgültig für die Kunst. Er zog nach München und schrieb sich dort an der berühmten Kunstakademie ein.
2. Die Suche nach einem neuen Ausdruck
In München erlebte Kandinsky eine Phase des Experimentierens und Lernens. Er beschäftigte sich intensiv mit Impressionismus, Jugendstil und Fauvismus. Sein Ziel war es, die Malerei nicht nur als Abbild der Wirklichkeit zu verstehen, sondern als Mittel für emotionale und spirituelle Ausdrucksformen.
- Der Blaue Reiter: Zusammen mit Franz Marc und anderen Gleichgesinnten gründete Kandinsky 1911 die Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“. Die Gruppe vereinte Künstler, die nach neuen ästhetischen und inhaltlichen Wegen suchten. Dabei spielten Spiritualität und Innerlichkeit in den Werken eine große Rolle.
- Erste abstrakte Aquarelle: In dieser Zeit entstanden auch Kandinskys erste komplett abstrakte Aquarelle, welche die Kunstwelt zum Umdenken zwangen. Er verzichtete vollständig auf gegenständliche Darstellungen und ließ Linien und Farben für sich sprechen.
3. Theoretische Schriften und Grundlagen
Kandinsky war nicht nur Maler, sondern auch Kunsttheoretiker. Seine wichtigste Schrift „Über das Geistige in der Kunst“ (1912) gilt als Meilenstein in der modernen Kunsttheorie. Darin formulierte er seinen Ansatz:
- Farbe als emotionale Kraft: Jede Farbe hat für Kandinsky eine eigene innere Schwingung, die beim Betrachter bestimmte Gefühle auslösen kann.
- Form als Ausdruck des Inneren: Anstelle von naturgetreuen Formen ging es ihm um die sichtbare Darstellung innerer Prozesse, ähnlich einem musikalischen Rhythmus.
- Abstraktion als Weg zur Freiheit: Durch das Loslösen von realistischen Vorlagen erhoffte er sich eine reinere, universelle Kunstsprache.
4. Lehre am Bauhaus
Nach Stationen in der Schweiz und in Russland zog Kandinsky 1922 nach Weimar und begann, am berühmten Bauhaus zu unterrichten. Hier stand der interdisziplinäre Gedanke im Mittelpunkt: Architektur, Design, Kunst und Handwerk sollten miteinander verschmelzen.
- Zusammenarbeit mit Paul Klee: Kandinsky arbeitete eng mit Paul Klee, Lyonel Feininger und anderen Künstlern zusammen. Dadurch fand ein reger Ideenaustausch statt, der nicht nur die Malerei, sondern auch das moderne Design maßgeblich beeinflusste.
- Farb- und Formlehre: Am Bauhaus vertiefte Kandinsky seine Theorien zur Farbwirkung und Formensprache. Viele seiner Vorlesungen und Unterrichtsskizzen dienen heute noch als Grundlagenmaterial in der Kunstpädagogik.
5. Rückkehr nach Paris und Spätwerk
Nach der Schließung des Bauhauses 1933 durch das nationalsozialistische Regime in Deutschland ging Kandinsky nach Paris. Dort entwickelte er seinen Stil weiter:
- Organische Formen: Die Werke aus dieser Zeit zeigen weiche, biomorphe Formen in leuchtenden Farbkombinationen.
- Komplexe Kompositionen: Kandinskys späte Bilder wirken oft wie pulsierende Galaxien aus Formen, Farben und Linien. Er setzte damit fort, was er in seinen frühen Jahren begonnen hatte – die Malerei zu einer universellen Sprache zu machen, losgelöst von jeder gegenständlichen Verpflichtung.
6. Bedeutung für die Kunstgeschichte
Wassily Kandinsky revolutionierte mit seiner Kunst die Malerei des 20. Jahrhunderts:
- Erfinder der Abstraktion: Er gilt als einer der ersten Maler, der vollständig abstrakte Werke schuf und damit die Malerei von der Wiedergabe der äußeren Realität befreite.
- Kunsttheoretische Einflüsse: Seine Schriften und Lehrtätigkeiten – insbesondere am Bauhaus – prägten Generationen von Künstlern und Designern.
- Brücke zwischen Kunst und Musik: Indem er musikalische Prinzipien in seine Malerei integrierte, verband Kandinsky die sinnlichen Erfahrungen von Klang und Farbe zu einem Gesamterlebnis.
Fazit
Wassily Kandinsky war weit mehr als nur ein Maler; er war ein Visionär, der die Kunstwelt mit seinen Ideen und Theorien nachhaltig beeinflusste. Durch seine radikale Abkehr von der gegenständlichen Malerei bereitete er den Boden für zahlreiche Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts. Wer heute ein Bild von Kandinsky betrachtet, spürt noch immer diese einzigartige Mischung aus Farbe, Klang und Spiritualität, die seine Werke so unverwechselbar macht.